Dr. Marita to Berens-Jurk: Zugfahrt mit Leguan – Lackfolienbilder

»Zugfahrt mit Leguan«
Lackfolienbilder
»Train Ride with an Iguana«
Paintings on Lacquered Film

Zugfahrt mit Leguan und Kugelgürteltier auf dem Schreibtisch – so die ein wenig rätselhaft anmutenden Titel der beiden neuesten Lackfolienmalereien von Ilka Vogler: der Leguan, der Künstlerin im Abteil gegenüber sitzend, schaut – Fernweh in den Augen, aus dem sich spiegelnden Zugfenster in das strahlende Blau des Himmels, verkörpert einzig vom blauen Malgrund der Lackfolie. Das Kugelgürteltier hockt hingegen unter einer ausladenden Pflanze auf dem Schreibtisch, wie der Titel ergänzt – die einzelnen Worte scheinen ihrerseits auf kleine Lackfolienschnipsel geschrieben, wie sie von remember  oder ihren anderen Textarbeiten her bekannt sind.

Wir können vermuten: Ilka Vogler scheint sich in der Gesellschaft von Leguanen und Gürteltieren wohl zu fühlen. Die Echsen- und Reptilienbilder resultieren aus Kindheitserinnerungen an ein großes Terrarium  im elterlichen Hause, das ihr Interesse für die exotische Pflanzen- und Tierwelt hervorgerufen hat. Der kleine Kugelgürteltier-Panzer aus Paraguay, der seinen Platz auf dem Schreibtisch des Vaters hatte, ist heute in ihrem Besitz.

Zahlreiche reizvolle Iguana-Zeichnungen, zum Teil von kleinen, poetischen Texten und Geschichten ergänzt, belegen ihre Faszination vom grünen Leguan: die wachen Augen, welche die Weisheit der Urzeit zu verkörpern scheinen, seine stoische Ruhe, die an bizarre Ornamente und Perlenketten erinnernde Haut und Panzer.

So führt die Beschäftigung mit dem Thema vom auf kräftiges Rot gemalten Terrarium – im Liniengewirr der Dschungelpflanzen sind die Kröten und Echsen kaum auszumachen – über die ornamental aufgefassten, sehr malerischen Lackfolienbilder der Smaragdeidechsen zu den beiden jüngsten Darstellungen mit Leguan und Gürteltier: das Motiv hat sich aus anderen Zusammenhängen gelöst und ist zu einem eigenständigen Bildgegenstand gereift, ja aufgewertet. Denn kommt nicht in Zugfahrt mit Leguan dem Protagonisten der Stellenwert einer menschlichen Reisebegleitung zu?

Zugfahrt mit Leguan  thematisert eine weitere wichtige Triebfeder für ihr künstlerisches Schaffen: das Reisen. Immer wiederkehrende Reisen an besondere Orte, Orte, mit denen sie Kraft und Energie verbindet, Orte, an denen Kultur und Natur in enger Beziehung stehen. Unter dem Eindruck der regelmäßigen Aufenthalte in Sils Maria – dort auf den Spuren Friedrich Nietzsches – entwickelte sie über Jahre die großartige Serie der Oberengadiner Berglandschaften. Auf leuchtend blauem Fonds hält sie die Monumentalität der Gebirgsmassive fest. Fast plakativ geben die Formen das Elementare des Hochgebirges in unterschiedlichem Licht wieder. Der besondere Charakter der Lackfolie, den Ilka Vogler grundsätzlich statt Leinwand als Malgrund verwendet, wird hier optimal eingesetzt: die unbemalten glänzenden Flächen bilden in Ihrer Ebenmäßigkeit sowohl das Blau des Himmels als auch den sich spiegelnden Silser See. Die perfekte Glätte des Materials bringt die tiefe, überirdische Stille der Bergwelt, die oft als unwirklich empfundene Atmosphäre hervorragend zum Ausdruck, ja überhöht sie.

Gleichzeitig sind diese Reisen an „äußere Orte“ auch Reisen in die „innere Welt“ der Künstlerin. Es vermischt sich eigenes Erleben mit Fremdem, Gegenwärtiges mit Vergangenem, Fantasie mit Wirklichkeit. Das intensive Erkunden der jeweiligen Kultur, der Museen und Literatur, kennzeichnet ihre Reisen und beeinflusst ihr Denken und Arbeiten: immer wieder nach Kreta, Paris, Venedig, nach Ägypten. Skizzen, spontan Notiertes, Fotografien, Erinnerungen an  Reiseerlebnisse sind die Quellen, aus der ihre Kunst schöpft.

So schuf sie nach einem Spaziergang durch das Dessau-Wörlitzer Gartenreich There is a place. Auf intensivem Blau wird zwischen den vertikalen Linien der Luftpflanzen – teilweise muten sie wie japanische Schriftzeichen an – in strahlendem Weiß das sogenannte Vasenhaus sichtbar. In dunklem Rot zieht sich der Schriftzug über das Motiv: die Verbindung von Malerei und Sprachelementen begegnet immer wieder.

Bilder wie Arabische Welten und Hafez – Reminiszenz an das Grabmal des  persischen Dichters Hafez – zeugen von der Beschäftigung mit der islamischen Kultur sowie der arabischen Sprache und Literatur. Orientalische Muster, ornamental Verschlungenes, zarte Blütenranken und filigrane Liniengespinste breiten sich teppichartig über die gesamte Bildfläche aus und bedecken den Malgrund fast vollständig.

Innenräume – Außenräume: so ein weiterer Themenschwerpunkt im Werk von Ilka Vogler. Die Matisse zitierenden, das eigene Zimmer darstellenden Grands Intérieurs  haben ihr Pendant in den Grands Exterieurs –  den Park- und Gartenlandschaften, wie Jardin des Tuileries und Berlin Tiergarten: zeichnerisch schwungvoll oder in malerisch runden Formen. Der Besuch des am Zürichsee gelegenen Chinagartens mit dem schönen Namen „Drei Freunde im Winter“ inspirierte sie zu dem in leuchtender Farbigkeit gemalten Tempel – Garten,während Arbeiten wie Sommer in Hanoi  unter dem Eindruck des vietnamesischen Films mit seiner spezifischen Farbgebung und ungewöhnlichen Atmosphäre angeregt wurden.

Im Gegensatz zu den sonst meist großformatigen Lackfolienmalereien eignet den Arbeiten mit persönlichen „Lebensthemen“ eher ein kleines, intimes Format an. Auf C’est moi  identifiziert sich die Künstlerin – sie arbeitet nie figürlich – mit einer Blume, die an eine Orchidee erinnert. In zartem Rosa, verletzlich und verwundbar, auf sattem Grün, im Zentrum des Bildes, umgeben und eingeschlossen von einem Gitter aus blau-schwarzen Pfählen. Es gibt kein Entrinnen.

Inneres hingegen weckt zunächst die Vorstellung körperlicher Verletzung: Wucherungen, angegriffene innere Organe, gebrochene Knochen, geschwollene Gelenke, gerissene Sehnen. Doch wer dächte nicht gleichzeitig an seelische Wunden, inneren Kampf und Toben, Aufgestautes, Gefühle wie Angst, Wut, Verzweiflung?

Zum Schluss ein Blick auf die poetischen Blumen- und Blütenbilder. Wirkt Farn wie eine minutiöse Naturstudie, Rittersporn mit der Fülle blauer Blüten durch seine zarte Kleinteiligkeit, so eignet Calla auf rosa Folie und Lotus auf weinrotem Grund etwas Plakativ-Dekoratives an. Klar konturiert heben sich die großen Formen der Calla vom rosa Fonds, während rosa und weißer Lotus aus dem saftigen Grün wächst: reliefartig legen sich die verschiedenen Farbschichten des Blattwerk übereinander. Die unbemalten, glänzenden Flächen eröffnen eine weitere Dimension der Lackfolienbilder: die Spiegelungen holen die äußere Welt ins Bild, die je nach Tages- und Jahreszeit sowie Licht variiert – Innenraum und Außenraum, Privates und Öffentliches, Fantasie und Realität verschmelzen. Das Thema in der Kunst Ilka Voglers!

Dr. Marita to Berens-Jurk, Kunsthistorikerin

Train Ride with an Iguana and Armadillo on the Desk – these are the somewhat enigmatic titles of the two latest paintings on lacquered film by Ilka Vogler: The iguana, sitting across from the artist in a train compartment, gazes – with wanderlust in his eyes – through the reflecting train window into the dazzling blue sky, illustrated merely by the blue base of the lacquered film itself. The three-banded armadillo, on the other hand, is perched beneath a lush plant on the desk, as the title suggests. Individual words yet again seem to be written on small sheets of lacquered film, as known from remember or other text works by the artist.

We may assume: Ilka Vogler apparently enjoys the company of iguanas and armadillos. And this encounter with lizards and reptiles dates back to early childhood – there was a large terrarium in the parents‘ house. The round carapace of a three-banded armadillo from Paraguay, which once had its place on the desk of the father, now belongs to her.

Numerous delightful iguana drawings, partly complemented by poetic texts and stories, reveal her fascination for the green iguana: the watchful eyes, which appear to reflect the wisdom of the ages, its stoical calmness, the skin and carapace reminding of bizarre ornaments and beaded necklaces.

Thus the artist’s pursuit of the subject leads from the Terrarium painted on vigorous red – in the tangled lines of the jungle plants, the toads and lizards are barely recognizable – to include the ornamentally conceived, very picturesque lacquered-film paintings of the European green lizard, all the way to the two most recent paintings showing an iguana and an armadillo: the motive has freed itself from other contextual areas and has matured into an individual and independent image. One could even say it has been upgraded, for after all, doesn’t the protagonist in Train Ride with an Iguana attain the position of a human travel companion?

Instead of canvas, Ilka Vogler always opts for lacquered film in vivid and glaring colours as a painting surface. In doing so, she purposely confronts the artificial materiality of the high-gloss plastic film with the often lyrically delicate motives: flowers, plants, lizards, mountain or park landscapes, ornamental patterns and tendrils.

While the images of lizards and reptiles result from her childhood remembrances and her interest for the exotic plant and animal world, the Train Ride with an Iguana focuses upon another important stimulus for her artistic creation: travelling.Travelling time and again to special places – places symbolizing strength and energy to the artist; places, where culture and nature maintain a close relationship.

Under the impression of her regular sojourns in Sils Maria, over the years, she developed the brilliant series of the upper Engadine mountain landscapes. On a bright blue base, she captures the monumental impact of the massifs. In a virtually bold manner, the forms convey the elemental forces of the high mountains in different shades of light. The distinct quality of the lacquered film is utilized in an optimal way: the unpainted glossy surfaces with their evenly flowing texture depict the blue of the sky as well as the mirror-like Silse Lake. The perfect smoothness of the material expresses the deep and transcendental tranquillity of the mountains – an atmosphere often felt to be almost unreal. These particular qualities are in fact reinforced by the choice of material.

Likewise, these trips to „outer places“ are always ventures into the artist’s „inner spaces“. Own experience is confronted with the unknown, the present with the past, fantasy with reality. The intensive exploration of culture, museums, and literature at each destination is characteristic for her approach to travelling and influences her thinking and working: headed again and again for Crete, Paris, Venice, or Egypt. Sketches, spontaneous notes, photographs, recollections of travel experiences are the source, from which her art is drawn. After a stroll through the Dessau-Wörlitz gardens, for instance, she created There is a Place. Before an intensive blue background, between the vertical lines of the dangling plants – some reminding of Japanese writing – the so-called „Vase House“ appears in brilliant white. Inscriptions in a deep shade of red lead across the picture: the combination of painting and textual elements is a recurring aspect of her work.

Paintings like Arabic Worlds and Hafez – a reminiscence to the Persian poet – convey the artist’s interest in the Islamic culture and the Arabic language and literature. Oriental patterns, ornamentally interwoven images, delicate flower tendrils and a web of filigree lines sprawl like woven carpets over the entire picture, almost covering the entire surface of the painting.

Inner space – outer space: another focal point in the work of Ilka Vogler. Her Grands Intérieurs, citing Matisse while depicting her own room, find their counterpart in the Grands Extérieurs – the park and garden landscapes, like the Jardin des Tuileries and Berlin Tiergarten: in zestful drawing or picturesque rounded forms. The visit to a China garden located at Lake Zurich, with the wonderful name “Drei Freunde im Winter” (Three Friends in Winter), have inspired her to paint this temple garden in luminescent colours, whereas works like Summer in Hanoi developed from impressions gained from Vietnamese films with their specific colouring and extraordinary atmosphere.

Instead of the primarily large formats of the lacquered-film paintings, for the works dealing with personal „life subjects“, a small, more intimate format is suited. On C’est moi the artist identifies with a flower reminding of an orchid – in soft pink, sensitive and vulnerable, on saturated green, in the centre of the picture, surrounded and trapped by a grid of bluish-black bars. There is no escaping.

Internals on the other hand, initially arouses associations of physical injury: Proliferations, affected inner organs, broken bones, swollen joints, torn tendons. But who would not also come to think of the emotional wounds, inner turmoil and battle, pent-up feelings, notions of fear, anger and despair?

Finally, a look at the paintings of poetic flowers and blossoms. While Fern reveals itself as a meticulous nature study, Larkspur, with its opulent blue blossoms, convinces by its feathery slenderness – both Calla on pink film and Lotus on a burgundy base, adopt a somewhat striking and decorative allure. With clearly cut contours, the large shapes of the Calla stand out from the pink base, while pink and white Lotus spring forth from a juicy green: the diverse colour sheets of the foliage accumulate in relief-like layers. The blank, glossy surfaces disclose another dimension of the lacquered-film paintings: Reflections draw the outer world into the picture, which varies depending on the time of day, the season and the light – inner and outer space, private and public sphere, fantasy and reality merge. “Major issues” in Ilka Vogler’s art.
Dr. Marita to Berens-Jurk, Art Historian